Vortrag
Brot & Butter mit Philipp Oswalt
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- 10.10.2016
Dingkritik oder über die Dinge hinter den Dingen. Vom Bauhaus zum Iphone.
Mit dem Architekten und Publizisten Philipp Oswalt ging es am 10. Oktober 2016 im Rahmen der Reihe „Brot und Butter“ des VDID Region Brandenburg, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern mit einer weiteren Veranstaltung in die nächste Runde. Als Autor und Herausgeber zahlreicher Publikationen zur zeitgenössischen Architektur und Stadtentwicklung hat sich Philipp Oswald mit der „Dingkritik und mit den Dingen hinter den Dingen – Vom Bauhaus zum iPhone“ beschäftigt.
So beginnt Philipp Oswalt den Abend mit einer Kritik an der berühmten Wagenfeld-Leuchte von 1924, die sich zu einem Fetisch entwickelt hat. Der Beliebtheit steht die komplizierte und teure Herstellung der Lampe entgegen. Dieser Objektfixierung möchte Hannes Meyer ein Ende bereiten und die Gestaltung als „Organisation von Lebensvorgängen“ sehen. Mit Naum Gabo als Mitstreiter wird er den Menschen wieder in ein übergeordnetes Verhältnis zum Gebrauchsgegenstand stellen. An die Stelle der Darstellung der materiellen Gestalt von Objekten und der Architektur treten Diagramme und situative Darstellung vom Zusammenspiel des Menschen, der Objektwelt, Architektur und Umwelt. Aus dieser Sichtweise entstand 1945 in der Hochschule für Gestaltung Ulm die Idee des Umwelt- und Systemdesigns. Der Soziologe Lucius Burckhardt kritisiert dieses in den fünfziger Jahren mit der Auszeichnung „Die Gute Form“ bedachte Design. Er plädiert dafür, den Fokus auf die Beziehungen zwischen den Dingen, dem Unsichtbaren, zu legen.
Und hier liegt die heutige Herausforderung: Dinge stehen nicht nur im lokalen Kontext, sie haben translokale Beziehungen zu fern liegenden Orten. Das ‚Endgerät‘ ist nur die Spitze eines Eisbergs, unter dem sich ein komplexes System an sichtbaren und unsichtbaren Dienstleistungen verbirgt. Der Designtheoretiker John Maeda hat schon vor Jahren angeregt, was heute Standard ist. Das heutige Design kaschiert Komplexität und erscheint wieder schlicht und einfach. Outsourcing ist das dominierende Prinzip der Gegenwart. Und dies umfasst eben nicht nur immaterielle Informationen und Dienstleistungen, wie es John Maeda beschreibt, sondern ebenso die materielle Herstellung und Entsorgung heutiger Produkte. In der heutigen Welt globalisierter Beziehungen ist der Backstage-Bereich in weite Ferne gerückt, nach Asien, Afrika und Südamerika wie in einer guten Stube von damals, als repräsentative Zimmer strikt von der Küche und der Dienstmädchenkammer getrennt waren. Im Bereich der physischen Produktion wird der Notstand anderer Länder ausbeuterisch genutzt.
Mit dem einstigen Vorschlag von Johannes Fiedler, eine Sonderwirtschaftszone in Ostdeutschland zu errichten, in der etwa unter chinesischen Bedingungen produziert und entsorgt wird, öffnet Phillip Oswald den Vortrag zur Diskussion. Klar ist, dass jedes Ding am Ende eine vielfältige Situation, Prozesse und Relationen jenseits der direkten Sichtbarkeit erzeugt, die jeden einzelnen Nutzer vor die Frage der Notwendigkeit stellt. Eine Gestaltung, die das Erbe der Moderne und damit auch ihre emanzipatorischen und egalitären Ideen in die Gegenwart fortschreiben will, darf nicht in die Objektfixiertheit des frühen Bauhauses zurückfallen. Eine spannende Diskussion. Vielen Dank.
Mit dem Architekten und Publizisten Philipp Oswalt ging es am 10. Oktober 2016 im Rahmen der Reihe „Brot und Butter“ des VDID Region Brandenburg, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern mit einer weiteren Veranstaltung in die nächste Runde. Als Autor und Herausgeber zahlreicher Publikationen zur zeitgenössischen Architektur und Stadtentwicklung hat sich Philipp Oswald mit der „Dingkritik und mit den Dingen hinter den Dingen – Vom Bauhaus zum iPhone“ beschäftigt.
So beginnt Philipp Oswalt den Abend mit einer Kritik an der berühmten Wagenfeld-Leuchte von 1924, die sich zu einem Fetisch entwickelt hat. Der Beliebtheit steht die komplizierte und teure Herstellung der Lampe entgegen. Dieser Objektfixierung möchte Hannes Meyer ein Ende bereiten und die Gestaltung als „Organisation von Lebensvorgängen“ sehen. Mit Naum Gabo als Mitstreiter wird er den Menschen wieder in ein übergeordnetes Verhältnis zum Gebrauchsgegenstand stellen. An die Stelle der Darstellung der materiellen Gestalt von Objekten und der Architektur treten Diagramme und situative Darstellung vom Zusammenspiel des Menschen, der Objektwelt, Architektur und Umwelt. Aus dieser Sichtweise entstand 1945 in der Hochschule für Gestaltung Ulm die Idee des Umwelt- und Systemdesigns. Der Soziologe Lucius Burckhardt kritisiert dieses in den fünfziger Jahren mit der Auszeichnung „Die Gute Form“ bedachte Design. Er plädiert dafür, den Fokus auf die Beziehungen zwischen den Dingen, dem Unsichtbaren, zu legen.
Und hier liegt die heutige Herausforderung: Dinge stehen nicht nur im lokalen Kontext, sie haben translokale Beziehungen zu fern liegenden Orten. Das ‚Endgerät‘ ist nur die Spitze eines Eisbergs, unter dem sich ein komplexes System an sichtbaren und unsichtbaren Dienstleistungen verbirgt. Der Designtheoretiker John Maeda hat schon vor Jahren angeregt, was heute Standard ist. Das heutige Design kaschiert Komplexität und erscheint wieder schlicht und einfach. Outsourcing ist das dominierende Prinzip der Gegenwart. Und dies umfasst eben nicht nur immaterielle Informationen und Dienstleistungen, wie es John Maeda beschreibt, sondern ebenso die materielle Herstellung und Entsorgung heutiger Produkte. In der heutigen Welt globalisierter Beziehungen ist der Backstage-Bereich in weite Ferne gerückt, nach Asien, Afrika und Südamerika wie in einer guten Stube von damals, als repräsentative Zimmer strikt von der Küche und der Dienstmädchenkammer getrennt waren. Im Bereich der physischen Produktion wird der Notstand anderer Länder ausbeuterisch genutzt.
Mit dem einstigen Vorschlag von Johannes Fiedler, eine Sonderwirtschaftszone in Ostdeutschland zu errichten, in der etwa unter chinesischen Bedingungen produziert und entsorgt wird, öffnet Phillip Oswald den Vortrag zur Diskussion. Klar ist, dass jedes Ding am Ende eine vielfältige Situation, Prozesse und Relationen jenseits der direkten Sichtbarkeit erzeugt, die jeden einzelnen Nutzer vor die Frage der Notwendigkeit stellt. Eine Gestaltung, die das Erbe der Moderne und damit auch ihre emanzipatorischen und egalitären Ideen in die Gegenwart fortschreiben will, darf nicht in die Objektfixiertheit des frühen Bauhauses zurückfallen. Eine spannende Diskussion. Vielen Dank.
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