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Dialograum ZUKUNFT DREI - Formfindung mit neuronalen Netzen

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  • 08.12.2019
Die Ausgangsfrage im Dialograum ZUKUNFT DREI, die von Kevin German und Marco Limm (Hochschule Pforzheim) gestellt wird, ist für Gestalter brutal:
„Kann eine Künstliche Intelligenz einen Gestalter ersetzen?“
Die beiden Pforzheimer legen dar, dass der Anfang bereits 1961 am MIT in den USA mit einem Computerprogramm gesetzt wurde, welches aus 3-dimensionalen Objekten 2-dimensionale Darstellungen erzeugte. Einen großen Schritt vorwärts ging es dann aber vor allem bei dem Versuch, einen Computer Go spielen zu lassen. Denn bei diesem Spiel geht es nicht um einfache Prozeduren, sondern darum, mit Intuition zu spielen.
Im Rahmen ihrer Abschlussarbeit (Industrial Design und Technische Informatik) an der Hochschule für Design und Technik in Pforzheim entwickelten die beiden Ansätze, die sie mit der Aufgabe, eine Wasserflasche zu gestalten, testeten:

Ansatz 1: Es wurden 2 neuronale Netze - als Gegenspieler - programmiert:
Der Generator - also das kreative Netz und der Discriminator - der Bewerter.
(Anmerkung - hier fehlt nur noch der Pessimist zur Walt Disney Kreativmethode).
Der erste Output waren ca. 40.000 verschiedene Varianten von Wasserflaschen.
Viele Ideen zu erzeugen, ohne Hinweis auf die Qualität , führte die Workshop- bzw. Dialograum-Leiter zu:

Ansatz 2: „Semantic Shape“: Ein Puzzlespiel, das die Eigenschaften auf dem Markt vorhandener Wasserflaschen untersucht und neu kombiniert. Dadurch wurden viele neue Gestaltungsvarianten gefunden.
Um aber die Vielzahl der Gestaltungsvarianten zu bewerten, untersuchten die beiden Studierenden auch, wie anhand des Geschmacks des Menschen eine Auswahl erfolgen kann. Hier wurde dann doch die Crowd Intelligenz des Menschen befragt und ein Auswahlverfahren gewählt, das aus der Anfangszeit von Facebook bekannt ist: „hot or flop“: 2 Varianten werden nebeneinander gestellt und die Variante, die nicht geliked wird, wird ersetzt.

Im anschließenden Brainstorming in mehreren Gruppen der Teilnehmer wurde das Thema - das ja streng genommen am Geburtstag des VDID, die Gestaltungsleistung des Gründungsmitgliedes Günter Kupetz (Glasperlenflasche) in Frage stellt - aus unterschiedlichsten Perspektiven betrachtet:
# In wieweit kann eine KI wirklich die äußeren Einflüsse des Zeitgeschehens und der Kultur in die Gestaltung übersetzen?
# Ist es überhaupt denkbar, dass eine KI etwas gestaltet, das noch nicht da war und eine Bewegung wie Alchimia auslösen?
# Sind die vorgestellten Verfahren vielleicht nützliche Werkzeuge für Gestalter?
# In wie weit beeinflussen Werkzeuge jeder Art die Formgebung von Gestaltern?
# Ändert sich der Beruf des Gestalters vom Formgeber hin zum Prozessmoderator und Berater?
# Ändert sich der Beruf des Gestalters insoweit, dass er die Kriterien für KIs wählt und Visionen formuliert?
# Kann eine KI die Rolle übernehmen, Aufgaben zu hinterfragen?
# Kann eine KI nachhaltige Ziele modulieren?
# Wenn eine KI den Designer als Dirigenten übernehmen kann, wäre es nicht sinnvoller, die Rolle der Unternehmensberater zu ersetzen?

Wirklich hinterfragen, ob der Gestalter an sich ersetzt werden kann, will eigentlich keine Gruppe (zumindest im ersten Durchgang, an dem der Autor teilgenommen hat). Stattdessen wird einer KI pauschal Seelenlosigkeit unterstellt.

Nach dem Brainstorming ging es dann noch weiter mit einem neuen Ansatz der beiden Pforzheimer:
Ansatz 3: Die KI komprimiert die Gestaltung vorhandener Gegenstände auf wenige Eigenschaften, um die wesentlichen Parameter einzelner Gestalter kennenzulernen. Daraus wurden Grundformen für die Marktforschung erstellt. Getestet wurde dieser Ansatz bereits in Pforzheim, beim Salone del Mobile in Mailand, in Holland und …Stuttgart. Die Stuttgarter Flasche – beeinflusst durch die Konferenzteilnehmer*innen – siehe Abbildung 3 nebenan und im Anhang.
Eine Teilnehmerin fasste den Workshop für sich wie folgt zusammen: „Ich würde als Gestalterin die Algorithmen so nutzen, dass sie nur noch Unsinn machen, um an Neues zu kommen - und vor allem auch hinterfragen, ob der Kunde überhaupt eine Flasche wollte und nicht doch ein Glas.“
Ob die Zukunft eine KI bringt, die gestaltet, ist, denke ich, keine Frage - welche Rolle wir als Gestalter dabei einnehmen, dahingehend eine sehr wesentliche. Eine gemeinsame Master Thesis der beiden zu dem Thema ist nicht ausgeschlossen und ich wäre gespannt auf das Ergebnis!

Eine Fotodokumentation des Dialograum DREI vom 8.11.2019 - und Bilder der sogenannten "VDID Flasche", welche über Abstimmungen der Kongress-Teilnehmenden Personen ermittelt wurde, finden Sie in dem angehängten Foto-PDF.

Wolfgang Baier, Regionalleiter VDID Hessen I Rheinland-Pfalz I Saarland

Impressionen zur Veranstaltung

  • Marco Limm (sitzend) und Kevin German im Dialograum 3 - erklären die Prozesse, um eine über KI generierte und bewertete VDID Flasche zu erhalten
    © VDID i.A.
  • Foto von Workshop und Diskussion im Dialograum 3
    © VDID i.A.

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