Nachhaltige Produktentwicklung
- 08.09.2025
- Quelle: Redaktion
CO2 Bilanzierung und Berichtspflichten zur Lieferkette werden bis 2030 für die meisten Unternehmen verpflichtend sein.
Vorhaben wie das EU-Lieferkettengesetz, die Öko-Design-Richtlinie oder das Right-to-Repair, als Teil des European Green Deal, werden neue Anforderungen an die Produkte der Zukunft stellen. Entsprechende Pendants in der Gesetzgebung sind in China bereits verabschiedet und international in Ausarbeitung. So werden - neben einer veränderten Konsumentenerwartung - Reporting-Pflichten ökologischen Faktoren in der Produktentwicklung eine stärkere Rolle zukommen lassen.
Spannungsfeld Ökonomie und Ökologie
Produkte müssen in Zukunft nicht nur wirtschaftlich sein, sondern auch nachhaltig gestaltet werden. Für Unternehmen wird dies eine große Herausforderung werden: Sie müssen Produkte entwickeln, die den immer strengeren gesetzlichen Vorgaben und globalen Umweltanforderungen entsprechen, dürfen dabei aber nicht ihre Wettbewerbsfähigkeit verlieren.
Einfluss des Designs
Designer:innen haben zwar nur einen begrenzten Einfluss während der Entwicklung auf den Produktlebenszyklus, insbesondere auf die Lebensdauer, doch gerade in der frühen Phase werden entscheidende Weichen gestellt. Diese Weichen lassen sich mit allen Projektbeteiligten definieren: Schon in der Material- und Konstruktionswahl entscheidet sich, ob ein Produkt nachhaltig, wartungsfreundlich und am Ende seines Lebenszyklus' sortenrein trennbar und recycelbar ist – hier ist eine enge Zusammenarbeit von Designer:innen und Entwickler:innen unablässig.
Materialien als Schlüssel zur Nachhaltigkeit
Entscheidend ist zum einen, ob ein Material grundsätzlich recycelbar ist – Füllstoffe und Additive können z.B. aus sortenrein recyclebarem Kunststoff minderwertiges Material oder im schlimmsten Fall sogar Sondermüll machen. Ein „Highlight“ ist PP mit Kokosfasern versetzt, damit es „nachhaltiger“ wird. Zudem führen Oberflächenbeschichtungen, wie Chromatierung und Lackierung von Kunststoffteilen zu einer verminderten Recyclingfähigkeit.
Entscheidend ist zum anderen auch, wie hoch der Recyclinganteil der verwendeten Materialien bereits ist. Hier weisen Stahl und Aluminium bereits hohe Anteile auf – auch weil es ökonomisch attraktiv ist.
Verbundstoffe weisen meist keine Recyclingfähigkeit und erhebliche Umweltauswirkungen auf.
Darüber hinaus spielt die Systemgrenze der Abfallverwertung eine zentrale Rolle, denn erst wenn eine Gesellschaft funktionierende Sammel- und Verwertungssysteme bereitstellt und nutzt, können Materialien tatsächlich im Kreislauf gehalten werden. Dies ist nicht einmal in Europa flächendeckend gegeben, während in Deutschland ca. 20% der Kunststoffabfälle rezykliert werden - ein Großteil wird verbrannt („thermische Verwertung“). Dies zeigt: selbst bei einem funktionierenden Sammel- und Verwertungssystem, ist längst nicht gewährleistet, dass das Recyceln von Rohstoffen technisch umsetzbar und ökonomisch attraktiv ist.
Konstruktionsprinzipien und Wartung
Nachhaltiges Produktdesign bedeutet, Konstruktionsprinzipien konsequent zu hinterfragen. Denn auch die Konstruktionsprinzipien haben großen Einfluss auf die Nachhaltigkeit.
Das Verkleben von Bauteilen ist zwar in der Produktion einfach und kostengünstig, führt jedoch dazu, dass Produkte später nicht mehr repariert oder sortenrein getrennt werden können. Für den Endkonsumenten bedeutet das: Einfache Wartung oder Reparatur sind kaum möglich. Und auch Clip-Verbindungen sind nur sinnvoll, wenn diese so ausgelegt sind, dass mehrfaches öffnen und schließen möglich ist, um beispielsweise Reparaturprozesse vorzunehmen.
Eine riesige Designherausforderung
Für Designer:innen eröffnet sich ein Spannungsfeld: Während heutzutage metallisch anmutende Oberflächen als hochwertig gelten, wird zurzeit - meistens bei Konsumgütern und in beinahe allen Automobilen - durch überlackierte Kunststoffteile, eingelegte Folien oder durch eingelegte und hinterspritzte Metalloberflächen ein weiteres kreislaufhemmendes Dilemma kreiert. Hochwertig wirkende Oberflächen werden oft durch Veredelungsverfahren auf Kunststoffteilen erzeugt. Chromatieren, bedampfen, lackieren oder umspritzen erschweren oder verhindern sogar die Recyclierbarkeit dieser Kunststoffteile – während der blanke Kunststoff von Konsument:innen als billig wahrgenommen wird und Blech- oder Metallteile nicht ökonomisch abbildbar sind.
Gefordert ist von Designer:nnen nicht weniger als eine neue Ästhetik, wie mit sortenreinen Materialien stilvoll umgegangen werden kann und wie diese Ergebnisse wiederum vom Zielkundenkreis akzeptiert werden. Nicht für alle Konsument:innen sind nachhaltig wirkende Produkte attraktiv. Die Produkte der Zukunft müssen mehr „sein“ als „scheinen“. Sie müssen nachhaltiger sein, als sie es vermitteln, denn kritische Konsument:innen sind bei Greenwashing ebenso empfindlich.
Die Fragestellung: „Wie kann ich mit als „billig wahrgenommenen“, sortenreinen Materialien ein hochwertiges, in der Masse gefertigtes Produkt herstellen?“ wird uns mit Sicherheit noch einige Jahre Diskurs, Austausch und innovative Entwicklungsschritte bescheren / abfordern.
Es gibt immer wieder positive Beispiele, die Mut machen und inspirieren. Diese sind in der Architektur, im Möbelbau, bei Kleidung und anderen Bereichen zu finden.
Fazit:
Ökologie und Ökonomie sollen nicht nur, sondern müssen, sinnvoll zueinander gebracht werden – und sind eine Chance für Design. Durch Synergien lassen sich Vorteile und echte Mehrwerte für Unternehmen entwickeln. Recyclierbarkeit und sortenreine Trennbarkeit lassen sich bereits im Entwicklungsprozess implementieren, insbesondere auch durch die Art und Weise, wie Produkte gestaltet werden.
Darüber hinaus lohnt es sich, die aktuellen Materialentwicklungen im Auge zu behalten: Der Markt verändert sich unheimlich schnell, es gibt heute bereits ein Vielfaches an attraktiven Alternativen als noch vor zwei Jahren.
Angelo Schulz, Industrialdesigner B.A., Geschäftsführer defortec GmbH
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