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Design Leadership im KI-Prozän

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  • 05.09.2025
  • Quelle: Redaktion

Wie strategische Kreativität den Unterschied macht

Willkommen im KI-Prozän – einer Epoche, in der Künstliche Intelligenz analysiert, optimiert und Entscheidungen im Millisekundentakt trifft. Doch während Maschinen rechnen, bleibt die entscheidende Frage: Wer gestaltet eigentlich? Wie bewahren Unternehmen ihre kreative Identität in einer Welt, die immer stärker von Algorithmen regiert wird?

form follows … AI?
Wir Alle kennen das Mantra „form follows function“. Später von frog in „form follows emotion“ charmant verdreht. Doch wer erinnert sich noch an das Originalzitat von Louis Henry Sullivan von 1896? Hier war es ein poetischer Lobgesang auf die Natur, der am Ende festhält: „..form ever follows function.[Das ist das Gesetz.]"
„… It is the pervading law of all things organic and inorganic, of all things physical and metaphysical, of all things human and all things superhuman, of all true manifestations of the head, of the heart, of the soul, that the life is recognizable in its expression, that form ever follows function. This is the law.“

Und heute? Glaubt man den KI-Enthusiasten, heißt es: „form follows AI“. Aber stimmt das wirklich?

KI im Business-Alltag
Keine Frage: Künstliche Intelligenz hat ihre Stärken (auch wenn „Intelligenz“ hier eher Marketing- als Biologiebegriff ist). Sie automatisiert, analysiert gigantische Datenmengen, trifft blitzschnelle Entscheidungen, kennt weder Müdigkeit noch Urlaubsanspruch – und bekommt dafür gigantische Entwicklungsbudgets. Laut McKinsey flossen allein 2024 rund 1,1 Milliarden Dollar in KI-Entwicklung. Die Jobangebote in diesem Bereich stiegen um unfassbare +985 %.

Doch ein Blick in die Praxis zeigt: KI ist ein Assistent – kein Orakel. Sie kann schneller recherchieren, moodboards bauen oder Managementroutinen übernehmen. Aber jemand muss ihr sagen, wohin die Reise gehen soll.

Denn: Wer entscheidet über Ästhetik, Nachhaltigkeit, über Werte? Wer erkennt das Unvorhersehbare? Wer hat Empathie? Wer bringt die wirklich neuen Ideen? Der Mensch. KI ist nicht kreativ. Punkt.

Power Play oder Partnerschaft?

Wenn es den Menschen für die wirklich wichtigen Fragen braucht – warum investieren wir dann Milliarden in KI, aber deutlich weniger in die Entwicklung unserer eigenen Intelligenz?

Wunderwerk Mensch
Unser Gehirn ist schließlich ein echtes Wunderwerk: rund 86 Milliarden Nervenzellen, jede mit bis zu 100.000 Synapsen verbunden, die zusammengenommen ein Netzwerk von einer halben Million Kilometern ergeben – das sind zehnmal Erde–Mond! Und das alles mit einer Signalgeschwindigkeit von bis zu 100 m/s bei einem ständigen Wechsel von elektrischem Impus und chemischer Transportation. Oder, spannender formuliert: ein stetiger Wechsel von Raum und Zeit ist, und von Materie und Energie.

Und es reicht noch immer nicht: Das Gehirn ist nicht allein. Es gibt das Bauchhirn – eigenständig lebensfähig – und das Herz als Informationsgeber. Spätestens hier wird klar: Der Kopf ist zwar wichtig, aber sicher nicht die herrschende „Zentrale“.

Und das Beeindruckendste: Alles begann mit zwei winzigen Zellen, die all das Wissen bereits in sich trugen.

Natürliche Intelligenz: Wie weiß die Raupe, dass sie ein Schmetterling wird?
Wie weiß jede Zelle, was sie zu tun hat? Wie weiß das Neugeborene, dass es atmen muss? Oder wie verwandelt sich eine Raupe in einen Schmetterling?
Die Natur arbeitet mit einer Intelligenz, die kooperiert statt konkurriert, die frei von Bewertungen ist und Form aus innerem Wissen gestaltet. Diese Intelligenz ist unzerstörbar, nachhaltig und kreativ – mit Millionen Jahren Erfahrung.
Ihr größter Nachteil? Der Mensch selbst. Unsere Konditionierungen, Glaubenssätze und unbewussten Muster blockieren oft, was eigentlich möglich wäre.

NI + MI + KI = Zukunftsformel
Mein Plädoyer: eine Synergie aus den drei Intelligenzen:
NI – Natürliche Intelligenz: das vererbte, intuitive Urwissen.
MI – Menschliche Intelligenz: die Fähigkeit zu abstrahieren, zu entscheiden, kreativ zu denken.
KI – Künstliche Intelligenz: das Tool zur Wissensaneignung, Analyse und Automatisierung.
Nur im Dreiklang entsteht wahre Innovationskraft.

Strategische Kreativität trainieren (Pathways)
Wie lässt sich diese strategische Kreativität trainieren? Hier ein paar Wege:

·         Pathway Wissensaneignung
Wer KI nutzen will, muss sie verstehen – genauso wie Materialien, Fachwissen oder neue Technologien. Ohne Lernen geht nichts.

·         Pathway Natur-Ethik
Die Prinzipien der Natur sind Lehrstoff als Vorbild für nachhaltige Innovationsentwicklung: vielfältig, neutral, kooperativ. Design Leadership übernimmt diese Haltung der kreativen Strategie als ethische Grundlage für zukunftsfähiges Gestalten.

·         Pathway Leere
Meditation, Kunst, Musik oder Zeit in der Natur schaffen geistige Entrümpelung. In der Leere entstehen neue Ideen – ohne Ballast der Vergangenheit oder Sorgen um die Zukunft.

·         Pathway Freiräume
Kreativität braucht Raum – räumlich, geistig und organisatorisch. Scheitern muss erlaubt sein, starre Prozesse dürfen Innovation nicht ersticken. Eine innere Freiheit ist der Weg und das Ziel.

·         Pathway Beziehungen
Natur ist Beziehung: zwischen Menschen, zwischen Mensch und Produkt, zwischen Mensch und Natur, zwischen Unternehmen und Gesellschaft. Vertrauen, Kooperation und offene Kommunikation sind der Humus für Innovation. Hier sind mehr als nur Skills gefragt.

Lebendige Wechselwirkungen
Eine kreative Unternehmenskultur strahlt nach außen und wirkt doppelt zurück. Wer strategische Kreativität etabliert, macht Mitarbeitende zu Botschafter:innen – freiwillig und überzeugend.

Wirkung & Wachstum
Kreativität ist unser wichtigstes Kapital. Kreativität diffundiert – nach innen und außen. Wo sie wächst, entstehen Innovationen, die Unternehmen reifen lassen. Monetärer Erfolg? Kommt fast von selbst als Nebenprodukt.

Design Leadership – Pflichtfach für die Zukunft
Wenn Kreativität die Schlüsselkompetenz der Zukunft ist – und das bestätigt sogar das World Economic Forum – dann ist klar: Strategische Kreativität ist Pflicht, nicht Kür.
Nur wer natürliche Intelligenz versteht und mit menschlicher und künstlicher Intelligenz kombiniert, schafft nachhaltige Transformation.

Industriedesigner:innen sind dabei prädestiniert, den Wandel zu führen: neugierig, mutig und immer auf der Suche nach funktionaler, nachhaltiger Ästhetik. Bleibt noch, Sullivans‘ Zitat in seinen ursprünglichen Inhalt klar zu benennen:
Form follows nature.

Dr. Sybs Bauer, VDID Regionalgruppenvorsitzende Region 01 (Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen, Niedersachsen)

 

 

 

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