Digitalisierung und Design
- 12.07.2025
- Quelle: Redaktion
Design Digital - Die Digitalisierung verändert das Berufsbild radikal
Eine erste sehr positive Erfahrung mit einem „Digitalen Zwilling“ hatte ich als junger Mitinhaber eines Designbüros in München Anfang der 1990-er Jahre: wir mussten aus Zeitgründen auf ein physisches Modell verzichten und uns gezwungenermaßen ausschließlich auf die Kette aus CAD-Daten und Renderings verlassen. An ein physisches Modell oder gar einen Prototyp war aus Zeitgründen nicht mehr zu denken. Der Datensatz ging mit vielen Bedenken und nach mehrfacher Prüfung - als 3D-CAD Datensatz per ISDN Kanalbündelung mit 64K - nach Osten zum Zulieferer auf Reise. Und bei unserem Kunden stand nach über zwei Monaten dann tatsächlich ein realer bis oben hin mit Paletten beladener 40 Tonnen Sattelzug vor der Tür. Das „Experiment“ hatte tatsächlich funktioniert!
Der Designberuf hat sich in den letzten 100 Jahren immer wieder verändert und sich an den Fortschritt der Industrie angepasst. Er ist schon lange ohne 3D-CAD, STL Maschinen und leistungsstarke Rechner nicht mehr denkbar. Und in Zukunft?
Vor 14 Tagen haben wir in der VDID Arbeitsgruppe KI (Organisation Sybs Bauer, Regionalgruppe 01) gelernt, unsere Ideen mit Hilfe von Krita, Flux und Stable Diffusion und einem Video als Illustration zu visualisieren (https://www.vdid.de/aktuelles/news/detail/2024-03-08-neue-vdid-projektgruppe-kuenstliche-intelligenz). Ein Profi benötigt damit gerade einmal einen Tag, einen Entwurf und ein kurzes Video zu erstellen, um das neue Design in Szene zu setzen.
Ich glaube, dass der Designberuf durch Cloudcomputing, KI- Agenten (https://manus.im/) und die neuen Möglichkeiten der Visualisierung und Datennutzung jetzt vor der größten Veränderung der letzten 100 Jahre steht. Jetzt wird das Design-Doing - und nicht mehr nur die Werkzeuge, im Workflow automatisiert. Und Achtung: Kreativität kann durch brutale Rechenpower und kluge Workflows durchaus simuliert werden!
Sobald eine digitale Repräsentation eines Produktes - ein Digitaler Zwilling - verfügbar ist, greift der digitale Workflow und ermöglicht Zeit- und kostensparende Abkürzungen, die die Unternehmen schon auf Grund des hohen Kostendrucks nehmen werden. Die Logik ist klar: je früher ein Datensatz - ein Digitaler Zwilling“ zur Verfügung steht, umso schneller lassen sich die Folgeschritte durchführen.
Der rasante Fortschritt in der Produktrealisierung hat mittlerweile selbst den Begriff „Digitaler Zwilling“ überholt. Der Digitale Zwilling der Jahrtausendwende hat ganz viele Brüder und Schwestern bekommen - es sind digitale Repräsentationen- Zwillinge- , die z.B. in virtuellen Crashtests verbogen werden, Simulationen kompletter Fertigungsabläufe und virtuelle Produkte mit simulierten Funktionen, die in Kunden-Akzeptanztests oder in der Usability schnell und preiswert Ergebnisse liefern um das weitere Vorgehen entscheiden zu können. Erste „Digitale Zwillinge“ von Nutzer:innen und Kund:innen aus der Zukunft - Avatare und KI Bots - werden bereits zu ihrer Meinung zu virtuellen Produkten gefragt. Das Metaverse wird durch die Apple Pro das erste Mal wirklich nutzbar. Allein beim „Digitalen Produktpass“ (https://germany.representation.ec.europa.eu/news/digitaler-produktpass-ihre-meinung-ist-gefragt-2025-04-09_de) entstehen durch die EU-weite Regulation ganz neue Vermarktungsmodelle - bis dahin, dass Google Search bald selbst überflüssig werden könnte. Kreativagenturen, Unternehmensberatungen, Marketingleute und Unternehmensstrateg:innen drängen bereits stark in die wirtschaftlich sehr attraktive Lücke zwischen Unternehmensstrategie und Produktrealisierung. Der Designberuf hat sich seit seiner Entstehung immer mit den Technologien in der Produktrealisierung verändert. Aber obwohl seit Peter Behrens de, Design in der Industrialisierung eine ständig wachsende Bedeutung zukam, könnte es durch die aktuellen Entwicklungen bei KI und Digitalisierung in den nächsten 5 Jahren dazu kommen, dass das Design in seiner heutigen Form überflüssig werden könnte. Eine vergleichbare Entwicklung hat die Kommunikations- und Druck-Branche in den 1990 Jahren mit der Einführung des Desktop-Publishing erlebt.
Es wird Zeit, dass Designer und Designerinnen sich darüber klar werden, dass leistungsfähige KI-Tools auch viel geringer qualifizierten Mitarbeitenden ermöglichen werden, den größten Teil ihrer bisherigen gestalterischen Arbeit zu übernehmen. Der Designer selbst wird sozusagen als „Digitaler Zwilling“, als Clouddienst abgebildet.
Umso wichtiger werden nun für Jeden und Jede in der Branche Weiterqualifizierungen. Neben der professionellen Nutzung der KI-Tools sind dies ausgeprägte Management-Fähigkeiten und strategisches Denken und Handeln. Und eine Fähigkeit, die professionelle Designer und Designerinnen eint: immer wieder zu fragen: WARUM? Relevante Kundenbedürfnisse rechtzeitig zu identifizieren und daraus wirklich sinnvolle und relevante Produkte ableiten zu können, Überflüssiges vom Notwendigen zu trennen und gesellschaftlich, wirtschaftlich und emotional verantwortungsvoll zu gestalten und zu handeln muss und kann erlernt werden. Menschen sollten auch künftig für und mit über Menschen entscheiden.
Das aber erfordert neben Wissen auch Haltung, Werte und Empathie. Und es braucht noch viel mehr an Selbstbewusstsein der Designer und Designerinnen, um an manchen Stellen auch einmal deutlich „Nein“ zu sagen.
Andreas Enslin, VDID Delegierter
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