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Design ist keine Kunst….

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  • 04.06.2025
  • Quelle: Redaktion

... und sollte deshalb besonders im Mittelstand stärker genutzt werden.

Wer glaubt Design sei Kunst, verspielt sein Potenzial. Und doch trifft man leider gerade in kleineren und mittelständischen deutschen Unternehmen noch allzu oft auf ein Mindset, das Design irgendwo zwischen Kunst- und Kunsthandwerk ansiedelt. „Warum muss denn eine Industrieanlage schön sein?“, wird man dann als Designer:in gerne gefragt.
Tatsächlich stehen sich aber Design und Kunst als Pole gegenüber.
Denn: Design denkt als auftragsbezogene Dienstleistung in Serien, Kunst aber fertigt Originale um ihrer selbst willen.
Design schließt stets intelligente Kompromisse, um die gesetzten Ziele zu erreichen, Kunst dagegen ist kompromisslos. Design richtet sich auf das Machbare aus und muss - im Gegensatz zur Kunst - begreifbar und verständlich sein.
Gutes Design baut auf etablierten Gepflogenheiten, mentalen Modellen und verlässlichen Prozessen auf, Kunst bricht mit ihnen.
Deshalb muss Kunst auch nicht schön sein, Design aber liegt immer die Ästhetik – die sinnliche Wahrnehmung – zugrunde. Denn die Kerndisziplin von Design ist, die Sinne des Nutzers oder der Nutzerin gezielt und zielorientiert anzusprechen. Hierin liegt also die „Kunst“ im Design.
Doch was heißt das und wie können Unternehmen hiervon konkret profitieren?

Transformation risikoarm gestalten mit Design

Ästhetik spielt im Change Management eine wichtige Rolle, denn es geht auch darum, wie Veränderung und Transformation wahrgenommen werden. Positiv konnotierte Veränderungen sind einfacher durchzuführen als solche, die Ängste und Bedenken hervorrufen. Deshalb ist es entscheidend, wie der notwendige Wandel kommuniziert und mit welchen Bildern er besetzt wird.

Doch das ist nur ein Baustein, den Design zum Transformationsprozess beitragen kann. Ein Schlüsselkonzept ist Design Thinking. Diese Methode basiert auf einem ergebnisoffenen, iterativen Ansatz, der es ermöglicht, Probleme aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, die Wechselwirkung zwischen verschiedenen Elementen zu verstehen und Lösungen zu entwickeln, die wirklich relevant sind und funktionieren. Im Gegensatz zum linearen Wasserfall-Prozess, bei dem Schritte sequenziell abgearbeitet werden, erlaubt Design Thinking Flexibilität und Anpassungsfähigkeit während des gesamten Prozesses. Dadurch wird Design zum integralen Bestandteil des Risikomanagements, denn je mehr Fehler bereits früh im Prozess gefunden werden, etwa durch schnelles, günstiges Prototyping, umso sicherer das Ergebnis. Die allgemeinhin bekannte 1:100-Regel bewahrheitet sich stets aufs Neue. Ein Fehler, der in der Designphase einen Euro kostet, wird, wenn erst später erkannt, 100 Euro kosten. Und sollte er erst nach Markteinführung realisiert werden, können die Auswirkungen verheerend sein.

Viele der großen Unternehmensberatungsfirmen setzen bereits stark auf einen designgetriebene Changeprozess und Design Thinking für ihre Kund:innen. KMUs dagegen wissen leider oft noch gar nicht, dass Design diese essenzielle Rolle einnehmen kann. Dabei ist ein agiler, experimenteller Ansatz besonders wichtig in Zeiten des Wandels, in denen traditionelle Methoden und Herangehensweisen nicht mehr ausreichen. Er ermöglicht es, schneller auf Veränderungen zu reagieren und innovative Lösungen zu entwickeln, die den Bedürfnissen der Nutzenden und dem Unternehmen entsprechen. Gerade für kleinere Unternehmen, die in der Regel einen pragmatischen Ansatz verfolgen, ist dabei wichtig, schnell vom „Thinking“ ins „Doing“ zu kommen. Hier kann die Zusammenarbeit mit einer externen Industriedesignagentur eine gute Möglichkeit sein. Denn in einem schlanken Team und mit temporären Ressourcen ist es auch für kleine und mittelständische Firmen kosteneffizient möglich, genau diese Design-Methoden für sich zu nutzen – für eine nachhaltig erfolgreiche Transformation.  

Ein wichtiges Tool hierbei sind z.B. Workshops, um die Prozesse, Systeme und Bedürfnisse aller Stakeholder zu berücksichtigen. Es ist essenziell die Problemstellung genau zu durchdringen bevor in Design-Sprints der iterative Charakter von Design Thinking genutzt wird, um Lösungsansätze kontinuierlich zu überprüfen, anzupassen und zu verbessern. Ein klar strukturierter Prozess führt effizient zu effektiven Lösungen.    

Mensch-Maschine-Schnittstelle: Nicht alles ist digital

Ein großer Teil der aktuellen Veränderungen wird durch die zunehmende Digitalisierung getrieben. Gerade kleinere und mittelständische Unternehmen stehen hier vor Herausforderungen und die Gefahr ist groß, dass durch einen zu starken Fokus auf digitale Anwendungen und technologiegetriebene Vorgehensweisen, die Anwender:innen und deren Bedürfnisse nicht ausreichend berücksichtigt werden. Dies ist insbesondere vor dem aktuellen Hintergrund des Fachkräftemangels ein Problem, denn für Unternehmen wird es immer wichtiger, Maschinen und Anlagen so zu gestalten, dass sie auch mit geringem Schulungs- und Trainingsaufwand sicher und effizient bedient werden können.

In der heutigen, zunehmend digitalisierten Welt entsteht oftmals der Eindruck, dass Mensch-Maschine-Schnittstellen (MMS) ausschließlich durch digitale Technologien und Softwarelösungen definiert werden. Doch die Realität ist weitaus komplexer und umfasst zuvorderst physische Interaktionen. Die Beziehung zwischen Mensch und Maschine im Designprozess darf nicht auf digitale Aspekte reduziert werden; vielmehr erfordert sie ein ganzheitliches Verständnis, das sowohl digitale als auch physische Elemente einbezieht.

Physical User Experience (Physical UX) ist daher ein entscheidender Aspekt bei der Gestaltung von MMS. Das physische Design der Benutzeroberfläche beeinflusst die Wahrnehmung, die Zufriedenheit und die Benutzerfreundlichkeit erheblich. Nutzer:innen neigen dazu, ihre Erfahrungen in physischen Umgebungen viel stärker emotional zu verarbeiten als in digitalen Interaktionen. Das Design sollte deshalb so gestaltet sein, dass es die körperlichen Interaktionen und die emotionale Bindung der Benutzenden zur Maschine berücksichtigt. Eine Maschine, die technisch hervorragend funktioniert, aber nicht intuitiv oder ansprechend gestaltet ist, wird weniger wertgeschätzt und nicht effizient genutzt.

Ergonomie, Materialwahl oder die räumliche Anordnung von Bedienelementen sind gewichtige Faktoren dafür, wie sich Benutzende mit einer Maschine identifizieren und wie effizient sie diese bedienen können. Intuitive Gestaltung, die körperliche Interaktion fördert, trägt dazu bei, Stress und Ablenkungen zu minimieren, was letztlich die Produktivität steigert. Erst auf Detailebene kommen in der Regel die digitalen Interaktionen zum Tragen. Die Verwendung von Apps, Touchscreens und anderen, gemeinhin unter UI/UX subsummierten Bedieneinheiten müssen sich in den übergeordneten physischen Bedienraum nahtlos und intuitiv integrieren.  

Bei der Gestaltung einer MMS gilt es, die Bedürfnisse, Fähigkeiten und das Verhalten der Benutzenden im jeweiligen Kontext zu verstehen. Designer:innen sind hierin Expert:innen und können gerade als Externe mit einem unvoreingenommenen Blick darauf hinwirken, dass im Zentrum der Entwicklung einer Mensch-Maschine-Schnittstelle nicht die Technologie, sondern die Interaktion zwischen den Benutzenden und der Maschine steht. Diese Interaktion ist ein dynamischer Prozess, der sowohl die psychologischen als auch die physischen Aspekte der Benutzererfahrung berücksichtigt. Der Designprozess bezieht deshalb neben den technologischen Faktoren und der jeweiligen unternehmerischen Zielsetzung vor allem den Mensch als emotionales Wesen mit seinen mentalen Modellen, Gewohnheiten, Vorlieben und gelernten Verhaltensweisen als zentrale Akteure mit ein, um funktionale, intuitive und ansprechende Lösungen zu entwickeln

So kann die Benutzererfahrung sowohl in physischen als auch in digitalen Umgebungen wesentlich verbessert werden, was letztlich zu einem höheren Grad an Sicherheit, Benutzerzufriedenheit und -effizienz führt.

Design ist ein wichtiger Faktor für CSR

Der soziale Aspekt des Designs spielt eine zentrale Rolle in der Corporate Social Responsibility (CSR), da er direkt zur Lebensqualität von Individuen und Gemeinschaften beiträgt. So wird (Universal) Design auch im Rahmen der DIN ISO 26000 als integraler Bestandteil von Nachhaltigkeitsstandards betrachtet. Denn Design beeinflusst direkt, wie Produkte und Dienstleistungen gestaltet, produziert und konsumiert werden.

Deshalb ist es für die zukunftsorientierte Ausrichtung eines jeden Unternehmens wichtig, diese Expertise in die betrieblichen Prozesse einzubeziehen. Eine umfassende Betrachtung der Umweltauswirkungen über den gesamten Lebenszyklus hinweg wird für die Akzeptanz und damit auch für den Erfolg eines Produktes immer wichtiger. Dadurch, dass Nachhaltigkeitskriterien im Design von Beginn an berücksichtigt werden, können diese zum wirtschaftlichen Vorteil genutzt werden. Denn oft gehen Ökologie und Ökonomie Hand in Hand, wenn die Produktentwicklung ganzheitlich betrachtet wird. Dabei ist auch wichtig zu bedenken, dass neben funktionalen und ökologischen Kriterien soziale Ansprüche ebenfalls eine zentrale Rolle spielen.

Durch ein verantwortungsvolles Design können Produkte geschaffen werden, die nicht nur ihre Umweltbelastungen reduzieren, sondern auch soziale Werte fördern. So ermöglicht ein nutzerzentriertes Design, die Bedürfnisse verschiedener gesellschaftlicher Gruppen zu berücksichtigen, was die Gleichheit und Teilhabe in der Gesellschaft unterstützt und zu inklusiveren und zugänglicheren Produkten führt. Dadurch können Zielgruppe und Absatzmärkte erweitert und langfristige Werte geschaffen werden, die das Vertrauen der Stakeholder stärken und zu einer positiven Veränderung in der Gesellschaft und Umwelt beitragen, was auf Marke und Unternehmen einzahlt.

Darüber hinaus kann Design über die Ästhetik und Qualität eines Produkts gezielt steuern, wie modisch oder zeitlos es ist und somit die Unternehmensstrategie unterstützen. Produkte, die ästhetisch langlebig gestaltet sind und zeitlosen Charakter besitzen, haben einen höheren Verkaufswert und werden länger genutzt. Gleichzeitig verringert sich der Bedarf an Neuproduktionen und der Bedarf an Ersatzteilen und Service erhöht sich. Um das Geschäftsmodell entsprechend auf qualitativ hochwertige, langlebige Produkte auszurichten kann wiederum der transformative Prozess von Design (siehe oben) zum Tragen kommen.

Schlussfolgerung und Ausblick für das Industriedesign in KMUs

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Design weit mehr ist als nur eine ästhetische Betrachtung. Denn Design ist ein strategisches Instrument, das Transformationen unterstützt, die Benutzererfahrung sowohl in physischen als auch in digitalen Räumen verbessert und dazu beiträgt, soziale Verantwortung wahrzunehmen und ökologische Nachhaltigkeit im Einklang mit der Wirtschaftlichkeit zu fördern. Der iterative Ansatz des Design Thinking ermöglicht KMUs nicht nur, schneller auf Veränderungen zu reagieren, sondern auch innovative Lösungen zu entwickeln, die die Bedürfnisse ihrer Benutzenden in den Mittelpunkt stellen.

In Zukunft wird es für KMUs entscheidend sein, die Potenziale des Industriedesigns voll auszuschöpfen. Eine enge Zusammenarbeit mit externen Designagenturen kann dabei helfen, schon mit überschaubarem Aufwand, projektspezifisch und passgenau frische Perspektiven zu gewinnen und innovative Ansätze zu integrieren.

Abschließend fünf Empfehlungen für KMUs, um das volle Potenzial des Industriedesigns auszuschöpfen:

1. **Offenheit für Designmethoden**: Setzen Sie auf eine Kultur, die Design Thinking als dynamischen Prozess integriert. Ermutigen Sie Ihr Team, kreative Ideen zu entwickeln und diese in iterativen Zyklen zu prüfen.

2. **Benutzerzentriertes Denken**: Integrieren Sie die Bedürfnisse und Vorlieben Ihrer Benutzenden in alle Phasen des Designprozesses, von der Konzeption bis zur Umsetzung. Umfragen und Benutzerfeedback können dabei wertvolle Einblicke liefern.

3. **Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung**: Berücksichtigen Sie ökologische und soziale Aspekte bereits in der Produktentwicklung. Die Einhaltung von Nachhaltigkeitsstandards kann zu Wettbewerbsvorteilen führen und das Image Ihres Unternehmens stärken.

4. **Physisches Design ernst nehmen**: Vernachlässigen Sie nicht die physische Benutzererfahrung. Gestalten Sie Mensch-Maschine-Schnittstellen so, dass sie sowohl ergonomisch als auch intuitiv sind, um die Benutzerfreundlichkeit zu maximieren.

5. ** Ästhetik strategisch nutzen**: Planen Sie Produktästhetik strategisch, um Ihre Geschäftsziele maximal zu unterstützen und Wiedererkennbarkeit zu fördern. Damit stärken Sie das Vertrauen der Kund:innen in Ihre Marke.

Durch die Umsetzung dieser Empfehlungen können KMUs nicht nur ihre Produkte und Dienstleistungen optimieren, sondern auch ihre Marktposition stärken und nachhaltige Werte schaffen. In einer zunehmend komplexen und wettbewerbsintensiven Umgebung wird eine strategische Ausrichtung auf Design, das die Bedürfnisse und Emotionen des Menschen in den Mittelpunkt rückt, entscheidend für den langfristigen Erfolg sein.

Und hierin liegt dann wohl doch eine Gemeinsamkeit von Kunst und Design: Beides wird vielleicht nicht mehr immer von Menschen, aber stets für Menschen gemacht. 

Autoren:
Wanja S. Steinmaier und Matthias Nirschl, beide Managing Partner Lumod Designagentur, sowie Delegierte im VDID Regionalgruppe Bayern, in welcher Matthias auch Stellv. Vorsitzender ist.

Impressionen

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    Matthias Nirschl (li) und Wanja S. Steinmaier von Lumod GmbH - VDID Delegierte Region Bayern — © Maximiliane Nirschl für Lumod
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