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Diversität im Design

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  • 07.12.2024
  • Quelle: Redaktion

Diversität im Design: Internationaler Austausch und Frauenförderung

Ein Interview mit Stefanie Then, Vorstand im Verband DGfD, durchgeführt von Linda Ruth Schmidt, VDID Vizepräsidentin

Schön, dass wir uns heute treffen und über das Thema Diversität reden können. Kannst du kurz zusammenfassen, was dein Hintergrund ist und was du machst, damit wir alle einen Eindruck von dir und deinem Werdegang bekommen können.
Ich bin Kunst- und Wirtschaftshistorikerin und habe meinen Masterabschluss 2001 gemacht. Seither war ich in verschiedenen Non-Profit-Organisationen tätig, meist im designorientierten Umfeld. Bei Europoint Frankfurt leitete ich Projekte rund um die Euro-Einführung, darunter war ich verantwortlich für den Bau der Euro-Skulptur auf dem Willy-Brandt-Platz. Später war ich bei den Baden-Badener Unternehmergesprächen und interimistisch Geschäftsführung der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte. Ich habe als Freelancerin lange für den Rat für Formgebung, aber auch für die Zollverein-School of Management and Design gearbeitet, für Hessen Design, Form-Design-Magazin und viele mehr. Am meisten Freude hat mir die Tätigkeit für den Rat für Formgebung bereitet. Dort war ich ab Mitte der 2000er viele Jahre lange für die Mitgliederbetreuung und -akquise zuständig. In der Zeit konnte ich für den Rat rund 120 neue Mitgliedsunternehmen gewinnen und durch das Entwickeln von Veranstaltungsformaten die Basis für einen aktiven Mitgliederbereich legen.
Seit 2017 bringe ich meine Erfahrungen im Non-Profit-Management als Geschäftsführerin eines Vereins ein, der sich der Geflüchtetenhilfe widmet. Den Kontakt in mein altes Umfeld im Designbereich habe ich deswegen nie verloren. Seit 2019 bin ich im Vorstand der Gesellschaft für Designgeschichte. Aktuell bin ich damit befasst, auch beruflich wieder stärker an meine Wurzeln im Designbereich anzuknüpfen.

Ich habe schon diverse LinkedIn-Posts von dir gesehen, die dich zeigen, wie du in der arabischen Designerwelt unterwegs bist. Kannst du davon ein wenig berichten? Das finde ich sehr ungewöhnlich und zugleich natürlich spannend. 
Letztes Jahr habe ich den Bewerbungsprozess von Frankfurt Rhein-Main zur World Design Capital 2026 am Rande begleitet, dabei mehr aus kommunalpolitischer Perspektive. Der Prozess startete bereits Ende der 2010er Jahre. Umso mehr habe ich mich gefreut, als die Bewerbung dann für das Jahr 2026 eingereicht werden konnte.  Als schließlich die Finalisten bekannt gegeben wurden – Frankfurt Rhein-Main und Riad – weckte das meine Neugier. Dass Riad Finalist war, deutete darauf hin, dass es dort eine lebendige Design-Community geben muss, die bei uns kaum Beachtung findet.
Weitere Impulse setzten ein Studienfreund von der TU Clausthal, der dieses Jahr eine neue Stelle in Saudi-Arabien antrat und schließlich eine ehemalige Mitarbeiterin, die mir eine Gebetskette aus Mekka mitbrachte. Ich gab meinem Herzen einen Ruck, der Sache nachzugehen und selbst hinzufahren. Im Herbst, Ende September bis Anfang Oktober, besuchte ich Saudi-Arabien. Dank eines vermittelten Kontakts zur Architecture & Design Commission, einer Abteilung des saudi-arabischen Kultusministeriums, konnte ich Einblicke in die Design-Community in Riad und Dammam gewinnen. Es war eine äußerst spannende und bereichernde Erfahrung, die mir neue Perspektiven eröffnet hat. Und dazu führte, dass ich Mitte November erneut nach Riad gereist bin - dann zu einer Konferenz und um als Panelist bei einem Studio Talk teilzunehmen.

Das hört sich wirklich spannend an. Mit dieser Kultur haben wir als Designerinnen und Designer für gewöhnlich ja eher weniger zu tun . Die arabische Welt scheint für uns als Designer sehr weit weg zu sein. Hast du im Vergleich zu unserer Designszene Unterschiede feststellen können? 
Wenn es um Industriedesign geht, sind die Unterschiede zwischen Saudi-Arabien und westlichen Ländern oft geringer, als man denkt. Viele der Akteure, die im Rahmen der Vision 2030 die Designwelt in Saudi-Arabien vorantreiben, haben ihre Ausbildung an renommierten, uns gleichermaßen bekannten Hochschulen erhalten. Die CEO der Architecture & Design Commission am saudischen Kultusministerium, Dr. Sumayah Sulaiman Al-Solaima, hat ihre Ausbildung am renommierten Royal College of Art (RCA) in London absolviert, Princess Nourah Al-Faisal studierte an der Amerikanischen Internationalen Universität Richmond in London, Abdulaziz Alobaid, Automotive Designer in Riad, wiederum hat am ArtCenter College of Design in Pasadena studiert. Das war seine erste Wahl neben der Hochschule Pforzheim, für die er allerdings erst noch hätte Deutsch lernen müssen.
Das sind jetzt nur ein paar Beispiele unter vielen, die zu nennen wären. Alle, mit denen ich in Kontakt kam, haben an internationalen Hochschulen studiert, die Designer ausbilden, die weltweit tätig sind. Das zeigt, wie eng die Designwelten miteinander verbunden sind. Die Themen, die dort diskutiert werden, sind nahezu identisch mit denen, die auch bei uns relevant sind. Der entscheidende Unterschied liegt jedoch darin, dass in Saudi-Arabien viele Industrien noch im Aufbau sind. 
Mit der Vision 2030 verfolgt Saudi-Arabien das Ziel, unabhängiger vom Öl zu werden und seine industrielle Basis zu erweitern. Das macht Industriedesign zu einem essentiellen Bestandteil der nationalen Strategie und bietet spannende Perspektiven für die Design-Community vor Ort.

Das Thema Diversität und Gleichberechtigung ist auch bei uns im Verband sehr relevant. Ist das auch ein Thema in der arabischen Designwelt?
In Saudi-Arabien zeigt sich Diversität in vielerlei Hinsicht, insbesondere in der Zusammensetzung der Bevölkerung. Der Ausländeranteil lag dort 2020 bei 38,6%. Das ist ein Wert, den wir in Deutschland mit aktuell 15,2 % nicht annähernd erreichen, selbst dann, wenn wir Menschen mit Migrationshintergrund hinzuzählen, das wären dann insgesamt 29,7%. Den höchsten Ausländeranteil an der Gesamtbevölkerung haben übrigens die Vereinigten Arabischen Emirate mit 88,1%.
Im Gegensatz zu unseren Überlegungen, wie eine vielfältige Gesellschaft organisiert werden kann, wie wir neu angekommene Mitbürger:innen in den Arbeitsmarkt integrieren können, konzentrieren sich viele Diskussionen dort auf die „Saudization“ – also die Integration und Beschäftigung von mehr saudischen Staatsbürger:innen in den Arbeitsmarkt.

Das Thema Diversität zeigt sich besonders in den Bemühungen, mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen. Dies ist ein zentrales Ziel der Vision 2030, das beeindruckende Fortschritte gemacht hat. In nur acht Jahren wurden mehr Frauen in Führungsrollen integriert, als es in manchen westlichen Ländern in Jahrzehnten gelungen ist.
Ich habe viele hochqualifizierte Frauen kennengelernt, die in wichtigen Positionen tätig sind. Eine Begegnung mit der Dekanin des Design-Lehrstuhls an der Universität in Dammam war besonders eindrucksvoll. Sie lebte lange in den USA und betonte, dass wir aus dem Westen oft mit einem verzerrten Blick auf Frauenrechte in arabischen Ländern schauen. Sie fand es beispielsweise lächerlich, dass Frauenrechte an oberflächlichen Dingen wie dem Recht, Auto zu fahren, festgemacht werden. Zudem fand sie es übergriffig, dass die westliche Welt die Standards für Frauenrechte setzt und mit diesen Standards Frauen zu Opfern macht, die keine sind.
Die Frauen, denen ich begegnet bin, sind selbstbewusst, hervorragend ausgebildet und erfolgreich im Berufsleben. Diese Erfahrung hat mich auch dazu gebracht, unsere Standards zu hinterfragen: Sind wir in puncto Gleichberechtigung tatsächlich so weit, wie wir oft glauben?
Die Förderung von Frauen in Führungspositionen begann bei uns bereits in den 1980er Jahren. Dennoch hat man oft das Gefühl, dass Frauen in solchen Rollen manchmal eher nach ihrer Anpassungsfähigkeit ausgewählt werden – weniger, um wirklich etwas zu bewegen, sondern um „keinen Stress“ zu machen. Es wirkt, als ob die Auswahl manchmal mehr der Optik dient und wenn diese Frauen dann scheitern, wird das oft als individuelles Versagen dargestellt. Dabei fehlt es häufig schlicht am notwendigen Handlungsspielraum, um den Job erfolgreich ausfüllen zu können.
Ich denke, wir müssen uns ernsthaft fragen, ob unsere bisherigen Bemühungen zur Frauenförderung wirklich effektiv sind. Wir reden oft von Gleichberechtigung, aber die Strukturen behindern tiefgreifendere Veränderungen. Es gibt immer noch grundlegende Probleme, die Frauen in der Arbeitswelt betreffen.
Interessant ist, dass ich in Saudi-Arabien eine andere Perspektive wahrgenommen habe. Dort herrscht eine Wahlfreiheit, die oft unterschätzt wird. Es wird akzeptiert, wenn eine Frau sich entscheidet, den Haushalt zu führen und nicht berufstätig zu sein – genauso wie es anerkannt wird, wenn sie eine Karriere verfolgt. Diese Offenheit zeigt, dass der individuelle Lebensweg respektiert wird, unabhängig davon, ob er in den Beruf oder in das Familienleben führt. Vielleicht müssen wir uns fragen, ob wir in unserer Gesellschaft diesen individuellen Entscheidungen dieselbe Wertschätzung entgegenbringen.

Wie empfindest du das Thema Diversität in Deutschland, also bezogen auf Design? Wie ist deine Meinung oder hast du selbst Erfahrung gesammelt? Beschreib uns gerne deine Einblicke aus deinen Tätigkeitsfeldern Designgeschichte, Theorie und deiner Tätigkeit in diversen Verbänden. Wie funktioniert das in Deutschland? 
Das Thema Diversität, insbesondere in Bezug auf Frauenförderung und kulturelle Offenheit, hat in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht, doch es gibt weiterhin Raum für Selbstreflexion. In Deutschland führen wir viele Diskussionen oft intern, ohne ausreichend internationale Stimmen einzubinden. Ein Beispiel dafür ist die Konferenz „Sustainability in Design“ in Saudi-Arabien, bei der die meisten Teilnehmenden Saudis waren, aber fast ausschließlich auf Englisch diskutiert wurde. Im Vergleich dazu scheint es, als ob wir in Deutschland häufig unter uns bleiben und selten Stimmen von außen einladen, obwohl man weltweit mit großem Interesse auf unsere lange Tradition im Design und in der Designausbildung schaut. Dieser Fokus auf interne Diskussionen zeigt eine gewisse introvertierte Haltung – wir diskutieren viel im eigenen Land mit uns selbst und über das, was uns hier bewegt. Das hat auch viele gute Seiten. Es wäre wünschenswert, wenn wir mehr Gelegenheiten hätten, internationale Gäste zu uns einzuladen, um den Austausch auch hier zu pflegen. Wir selbst lassen uns ja durchaus gerne ins Ausland einladen. Sei es für Vorträge oder für die Lehre.
Im Bereich Frauenförderung hat sich in den letzten 20 Jahren einiges getan. Als ich vor rund zwei Jahrzehnten für den Rat für Formgebung arbeitete, war es noch schwierig, Frauen für Panels zu gewinnen. Heute ist das anders. Frauen besetzen immer mehr Führungspositionen und es ist selbstverständlich geworden, dass sie an Diskussionen teilnehmen und ihre Stimme erheben. Veranstaltungen wie „Frauen im Design“ zeigen, dass Frauen sichtbarer und präsenter sind. Das macht mich stolz, denn es ist ein Zeichen für den Wandel, den wir erlebt haben.

Hattest du selbst eine Frau als Vorbild, die dich in deinem eigenen Werdegang begleitet hat?
Ein Vorbild hatte ich damals nicht direkt, aber für meine Generation war Madonna prägend. Sie verkörperte ein liberales, selbstbestimmtes Frauenbild und zeigte, dass Erfolg und Weiblichkeit keine Gegensätze sein müssen. Sie hat sich nie den Erwartungen Anderer untergeordnet und damit bewiesen, dass man auch in einer männerdominierten Welt erfolgreich sein kann. Dieses Vorbild für Unabhängigkeit und Stärke hat mir gezeigt, dass man seinen eigenen Weg gehen kann – auch wenn es nicht immer leicht ist.
Vorbilder sind für Frauen und Männer gleichermaßen wichtig, um zu zeigen, dass Gleichstellung möglich und notwendig ist. In der Wirtschaft gibt es zwar immer noch Männernetzwerke, aber ich sehe, dass sich das ändert. Junge Frauen und Männer mischen diese Strukturen auf und viele Männer engagieren sich heute aktiv für Frauenthemen. Ein Beispiel ist die Diskussion um den Paragrafen 218, bei der sich auch viele Männer öffentlich für ein Umdenken einsetzen. Das gibt mir Hoffnung, dass meine Tochter – und die nächste Generation – viele der Kämpfe, die wir geführt haben, nicht mehr führen muss, weil sie Selbstverständlichkeiten geworden sind.

Du bist im Vorstand als Schatzmeisterin für deinen Verband Gesellschaft für Designgeschichte. Das heißt, du hast einen guten Blick in die Vergangenheit, aber auch einen guten Blick ins Jetzt. Gibt es da etwas, das dir im Laufe der Designgeschichte besonders ins Auge gefallen ist, oder hat sich besonders jetzt geändert? 
Ein Thema, das mir in letzter Zeit besonders aufgefallen ist – insbesondere bei der Vorbereitung diverser Veranstaltungen rund um Design und Designausbildung – ist der internationale Austausch. Dieser war von Anfang an ein zentraler Bestandteil der Designwelt. Deutsche Designerinnen und Designer gingen ins Ausland, um zu lehren, und umgekehrt kamen viele internationale Designer nach Deutschland, um hier ihre Expertise weiterzugeben. Dieser Austausch hat unser Designverständnis maßgeblich geprägt und sollte weiterhin gefördert werden.
Was mir jedoch wichtig erscheint, ist, diesen Austausch noch stärker zu betonen und auszubauen. Es reicht nicht, sich auf bereits etablierte Verbindungen zu verlassen. Wir sollten unseren Blick bewusst weiten, besonders in Regionen, die vielleicht nicht auf den ersten Blick als Designzentren gelten. Genau hier liegt oft das Potenzial für neue Impulse und innovative Ansätze. Nur so können wir sicherstellen, dass wir die Entwicklungen und Dynamiken der globalen Designlandschaft nicht verpassen.
Für Deutschland, als vergleichsweise kleines Land, ist dieser internationale Austausch essenziell. Unsere Stärke liegt darin, offen für neue Ideen zu sein und aktiv Verbindungen zu schaffen. Es ist daher von zentraler Bedeutung, den Blick über die eigenen Grenzen hinaus zu richten und diese Offenheit nicht nur zu bewahren, sondern gezielt zu fördern. Nur so können wir weiterhin als wichtiger Akteur im globalen Design-Geschehen wahrgenommen werden.

Also Deutschland ist nicht der Nabel der Welt. Auch nicht im Design. 
Ein großes Thema, das uns in Deutschland betrifft, ist unsere Neigung, uns stark mit uns selbst zu beschäftigen. Das ist nicht unbedingt ein Fehler – es zeigt ja auch, wie gründlich und reflektiert wir vorgehen. Aber wir sollten darauf achten, das Eine zu tun, ohne das Andere aus den Augen zu verlieren. Was ich mir für die Zukunft wünsche, ist eine bewusstere Öffnung in Richtung internationaler Entwicklungen. Es wäre großartig, wenn wir noch stärker schauen würden, was in anderen Ländern passiert, und das mit echter Neugier und offenem Geist verfolgen.
In letzter Zeit habe ich mich viel mit der Designlandschaft in arabischen Ländern beschäftigt, etwa in Ägypten und Saudi-Arabien, wo sich derzeit enorm viel tut. Das Geschehen in den Vereinigten Arabischen Emiraten wird zwar überwiegend von ausländischen Expert:innen getragen, aber auch dort gibt es spannende Ansätze. Kürzlich bin ich sogar auf eine Designwoche in Sri Lanka gestoßen – ein weiteres Beispiel dafür, wie weltweit neue Impulse entstehen. Wir könnten viel daraus lernen, aber auch selbst etwas beitragen, indem wir den internationalen Austausch fördern. Das wäre nicht nur bereichernd, sondern auch fruchtbringend für beide Seiten.
Ein zentrales Problem ist jedoch die Finanzierung solcher internationalen Projekte, die in der Regel von Fachorganisationen, also unseren Vereinen und Verbänden, getrieben werden. Aktuell sehe ich nicht, woher die Mittel für groß angelegte Veranstaltungen dieser Art kommen sollten. Die finanziellen Spielräume werden in Deutschland immer enger und das betrifft auch den Bereich Design. Besonders in Unternehmen haben Corporate Social Responsibility (CSR)-Strategien oft klare Vorgaben, die andere Felder bevorzugen. Design gerät dabei häufig ins Hintertreffen, obwohl es strategisch sinnvoll wäre, hier zu investieren. Gerade in einer Welt, die von Innovation und globalem Austausch lebt, wäre es wichtig, diese Chancen nicht zu verpassen.
Es bleibt zu hoffen, dass wir in Zukunft Wege finden, solche Projekte wieder stärker zu unterstützen, weil sie uns als Gesellschaft langfristig voranbringen können.

Hier würde ich gerne noch mal ansetzen. Glaubst du, dass die Politik mehr machen könnte, um das Thema Design und Internationalität zu fördern?
Die aktuelle politische Lage zeigt deutlich, dass wir uns auf eine Phase des Sparens einstellen müssen. Die Kassen sind leer und der Rotstift wird überall angesetzt. Das bedeutet auch, dass wir uns weniger auf staatliche Unterstützung verlassen können und stattdessen neue Wege finden müssen, um Projekte zu finanzieren. Es wird immer wichtiger, Eigeninitiative zu zeigen und alternative Finanzierungsquellen zu erschließen.
Ein entscheidender Ansatzpunkt liegt dabei in der stärkeren Einbindung von Unternehmen. In den vergangenen Jahren haben viele Unternehmen verstärkt auf staatliche Unterstützung gesetzt und sich aus bestimmten Förderbereichen elegant zurückgezogen. Doch angesichts der aktuellen Situation ist es an der Zeit, dass sie wieder aktiver Verantwortung übernehmen und sich stärker engagieren – sei es durch Förderprogramme, Partnerschaften oder direkte Investitionen in gesellschaftlich relevante Projekte in Design, Kultur und Innovation.
Wir müssen als Gesellschaft ein Umdenken anstoßen. Es geht nicht darum, den Staat außen vor zu lassen, sondern vielmehr darum, in dieser finanziell angespannten Zeit gemeinsam Lösungen zu finden. Wenn wir es schaffen, durch Eigeninitiative und gemeinschaftliches Handeln wirtschaftlichen Erfolg zu generieren, wird auch der Staat langfristig wieder in der Lage sein, mehr zu investieren. Im Moment jedoch ist es wichtig, flexibel und kreativ zu bleiben, um die Herausforderungen zu meistern, ohne dabei die Gestaltungskraft und den Innovationsgeist zu verlieren.

Politische Förderung bedeutet nicht nur finanzielle Unterstützung, sondern auch, Themen wie Design in den Fokus zu rücken. Aktuell habe ich das Gefühl, dass Design in politischen Diskussionen kaum Beachtung findet. Oft wird nur von Fortschritt durch Technik gesprochen, was ich als zu einseitig empfinde. Wir haben in Deutschland gelernt, dass allein technischer Fortschritt nicht ausreicht.
Es muss nicht immer um Geld gehen. Wichtig wäre, Design stärker ins öffentliche Bewusstsein zu bringen und Diskussionen darüber anzustoßen. Das würde uns Designer:innen helfen, das Thema offener mit Unternehmen zu besprechen. Das ist meine persönliche Meinung. Wie nimmst du es wahr?
Diese Woche wurde der Preis der Kultur- und Kreativpiloten in Berlin verliehen, ein Event, das alle Teilsektoren der Kreativwirtschaft umfasst. Ich war letztes Jahr dabei – eine gute Veranstaltung, die sich stark auf Ökodesign konzentrierte. Dennoch glaube ich, dass wir aus Verbänden und Organisationen heraus unsere Stimme gegenüber der Politik verstärken müssen, am besten jetzt im Wahlkampf, spätestens wenn die neue Bundesregierung im Amt ist. Die Themen Design und Kreativwirtschaft sollten klarer vertreten werden, insbesondere im Dialog mit dem Bundeswirtschaftsministerium und der Staatsministerin für Kultur.
Politik passiert nicht von allein – man muss sich aktiv einbringen, um wahrgenommen zu werden. Zwar spielen ideelle Förderungen eine Rolle, doch letztlich ist alles auch eine Frage der finanziellen Mittel. Hier sehe ich Handlungsbedarf: Es fehlt an einer bundesweiten Organisation, die Design gezielt fördert. Aus meiner Sicht war es ein Fehler, dass sich die Bundesrepublik aus der institutionellen Förderung des Rat für Formgebung herausgezogen hat.
Obwohl ich die Arbeit des Rat für Formgebung sehr schätze, fehlt eine konstante Förderung auf Bundesebene, um Design als strategisches Thema voranzutreiben. Die projektweise Förderung reicht hier nicht aus. Ein starkes Engagement der Politik ist nötig, um Design in Deutschland nachhaltig zu stärken. Das müssen wir einfordern.

Die World Design Capital Frankfurt 2026 ist bereits in Planung. Was würdest du dir für die Designbranche wünschen, auch in Bezug auf das Thema Diversität? 
Für mich ist es essentiell, den internationalen Austausch im Bereich Design stärker zu fördern. Frauen spielen dabei eine wichtige Rolle, und es freut mich, dass sie zunehmend sichtbarer werden – wie etwa durch die neue Cheforganisatorin der World Design Capital, Carolina Romahn, die dieser Tage bekannt gegeben wurde. Doch insgesamt könnte der Austausch mit internationalen Akteur:innen intensiviert werden.
Frankfurt und das Rhein-Main-Gebiet bieten dafür ideale Voraussetzungen: Sie sind hochgradig international geprägt und mit einer Vielzahl von Nationalitäten vertreten. Gerade Frankfurt, mit seiner kulturellen und wirtschaftlichen Vielfalt, sollte stärker als Plattform für globale Design-Diskussionen genutzt werden.
Obwohl Frankfurt-Rhein-Main ein bedeutender Design-Standort mit exzellenten Hochschulen und Agenturen ist, wird dies oft zu wenig hervorgehoben – anders als in Städten wie Berlin, München oder Stuttgart. Hier braucht es mehr Aufmerksamkeit und eine klarere Positionierung auf internationaler Ebene.
Internationalität sollte im Fokus stehen, sei es durch den Austausch mit Gästen, durch Veranstaltungen oder durch Initiativen, die den globalen Charakter der Designszene stärker in den Vordergrund rücken. Wenn nicht hier, wo sonst?

Was wünscht du dir persönlich für die Zukunft? Was möchtest du selbst aktiv antreiben? 
Ein großer Traum von mir wäre, den Mit-Finalisten der World Design Capital 2026, nämlich Riad, im Rahmen der Veranstaltungen 2026 in Frankfurt zu repräsentieren. Es gibt bereits einige Unterstützer:innen für diese Idee, was Hoffnung macht, dass dieser Traum realisierbar ist.
Darüber hinaus finde ich es wichtig, dass wir den Blick stärker auf die MENA-Region richten. Dort gibt es aktuell spannende Entwicklungen – nicht nur in Saudi-Arabien, sondern auch in vielen anderen Ländern. Es lohnt sich, diese Fortschritte zu beachten und zu überlegen, wie wir als Design-Community einen Beitrag leisten können.
Das ist für mich eine inspirierende Vision, die sowohl den internationalen Austausch als auch das Verständnis für globale Design-Entwicklungen fördern könnte. Vielen Dank für die Möglichkeit, das zu teilen!

Impressionen

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    Stefanie Then — © culture-is-female.org

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