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Veranstaltungs-Empfehlung Fortbildung

Buchtipp: Gefangen in der Titotalitätsmaschine

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  • 09.08.2022

Der Bauhäusler Franz Ehrlich

Das Funkhaus Nalepastraße, bis 1990 Sitz des Rundfunks der DDR und heute ein beliebtes Ausflugsziel, gilt als sein berühmtestes Werk. Begonnen hatte das bewegte Architektenleben Franz Ehrlichs (1907-1984) am Bauhaus in Dessau. 1937 wurde er als Widerstandskämpfer ins KZ Buchenwald gebracht, wo er das Tor mit der Inschrift »Jedem das Seine« gestalten musste. In der DDR nahm Ehrlichs Karriere Schwung auf – aber sein umfassender Geltungsanspruch kollidierte mit den politischen Leitlinien.

Für ihren biographischen Essay begeben sich der Designtheoretiker Friedrich von Borries und der Historiker Jens-Uwe Fischer auf die Spuren eines lange vergessenen Bauhäuslers. Dabei reflektieren sie über die Widersprüche in Ehrlichs Biographie sowie die Ambivalenzen und den Totalitätsanspruch der Moderne. Die Autoren arbeiten immer wieder den totalitären Gestaltungsanspruch des Bauhaus heraus – zumindest in der Theorie: das Ideal des „neuen Menschen“, die Einheit von Kunst und Technik, die Ästhetisierung industrieller Materialien oder der pragmatisch-funktionale Gesamtbau – all das wird im Buch zwar nicht direkt in eine Linie mit Buchenwald und der Nazi-Architektur gestellt, aber doch in einen Zusammenhang. In einem spannenden Gespräch vom 25.7.2022 mit Julian Ignatowitsch und Friedrich von Borries erfährt man nicht nur Wesentliches zum Porträt von Franz Ehrlich und seiner Profession, sondern auch den Kontext innerhalb der deutschen Geschichte zu jener Zeit.

 „Es fällt auf, dass kaum jemand das schmerzhafte Zusammenkommen von Bauhaus und Buchenwald thematisiert, als solle das Bauhaus als reine, weiße Projektionsfläche erhalten bleiben. Es ist, als gäbe es eine Scheu, sich den Totalitätsmaschinen des 20. Jahrhunderts und ihren Wirkmechanismen zu stellen.“

Das Buch erzählt also nicht nur die Lebensgeschichte Franz Ehrlichs, sondern es blickt hinter den Bauhaus-Mythos und auf die politische Dimension von Design und Architektur. Es verdeutlicht an Ehrlichs Werk den roten Faden, der dem modernen Bauen, Gestalten und Entwerfen im 20. Jahrhundert zugrunde lag: „Vergleicht man Ehrlichs Arbeiten vor, während und nach seiner Zeit im KZ, entdeckt man letztlich mehr Kontinuität als Brüche.“
(Auszug aus dem Gespräch am 25.7.2022 )

Den Autoren von Borries und Fischer gelingt in diesem schlanken Buch mit dem Augenmerk aufs Wesentliche ein gut lesbares Porträt eines Mannes und seiner Profession, geprägt von der deutschen Geschichte und den verhängnisvollen Totalitarismen. Gründlich recherchiert, transparent aufbereitet und nüchtern geschrieben. 

Edition Suhrkamp, 20 €

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