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KI - Freund oder Feind?

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  • 11.04.2023
  • Quelle: Geschäftsstelle

Generative KIs werden den Designprozess verändern, keine Frage. Aber so einfach ist das alles nicht – meint Armin Scharf zum aktuellen Hype.

Ja, die KI. Übernimmt sie die Weltherrschaft? Wohl kaum. Aber vielleicht dafür die Kreativbranche? Machen generative KI-Dienste den Designberuf in seiner aktuellen Form obsolet? Das kommt ganz darauf an…

Sagen wir mal so: KI-Modelle wie Dell-E, Stable Diffusion, Midjourney oder GPT-4 sind faszinierend, sie überraschen mit Resultaten, die nur von Texteingaben getriggert aus dem Nichts zu kommen scheinen. Natürlich ist dem nicht so, es braucht mächtige Netzwerke, die aufwendig (und energiefressend) mit unzähligen Dokumenten, Bildern, Artefakten trainiert wurden. Und einen ebenso mächtigen Algorithmus, der unter der Oberfläche werkelt. Genauer gesagt, sind es zwei Algorithmen, die sich gegenseitig antreiben. Der eine stellt die Verbindung zwischen Texteingabe und Bildern her, der andere generiert die neuen Bilder und lässt sie vom Kollegen bewerten. Es läuft also eine Art iterativer Prozess zwischen dem „Schöpfer“ und dem „Kritiker“ ab, bis beide Algorithmen zufrieden sind. Am Ende steht kein gesampeltes, sondern ein originäres Werk – wobei genau diese Originalität zu hinterfragen ist, weil die Trainingsdaten nicht aus dem Nirwana kommen, sondern echte, menschliche Urheber haben.

Und überhaupt. Damit die „intelligenten“ Algorithmen überhaupt etwas Brauchbares produzieren, braucht es kluge Anweisungen, sogenannte Prompts, eine Art Briefing also. Nur wer die richtigen Prompts exakt setzt, wer die Effekte vorab interpretieren kann und weiß, was man will, wird die KIs effektiv nutzen können. „Ha“, wird nun mein Kollege Martin sagen, „das ist ja toll, aber wenn ich da an so manches nebulöse Kundenbriefing denke, kann die KI lange arbeiten, da kommt nix raus“. Designer:innen müssen also künftig nicht nur Wünsche erspüren, sondern diese in Prompts übersetzen – eine durchaus komplexe Sache. Weil sich die Algorithmen und Trainingsgrundlagen permanent verändern, sind auch die Skills nie statisch. Erinnert irgendwie an das SEO-Optimierungs-Schamanentum, oder? Prompt-Engineering wird also zur künftigen Herausforderung und Arbeitsbeschreibung zugleich. Und das ist etwas, was neben VR-Kompetenzen schleunigst in die Curricula der Hochschulen gehört. Übrigens: schon jetzt gibt es an Hochschulen Prompt-Battles, bei denen Studierendengruppen gegeneinander antreten, um KIs zur Erheiterung des Publikums herauszufordern. Eigentlich eine tolle, weil kreative und respektlose Annäherung an das große Unbekannte.

Ist die generative KI letztlich „nur“ ein neues Tool? Jein, denn der Designprozess wird sich neu definieren müssen. Die KI als Hilfe bei der Recherche, der Ideation, der Variantenbildung – das scheint sinnvoll, weil die Gestaltenden tatsächlich mehr Optionen zur Hand haben. Und wenn die KI nicht nur auf formaler Ebene dienlich ist, sondern auch bei der Optimierung in Sachen Ressourcen, Nachhaltigkeit, Kreislauffähigkeit, Usability hilft, dann wird ein richtig guter Schuh draus.

Überflüssig werden Gestalter:innen übrigens keineswegs – aus zweierlei Gründen. Erstens wegen der Prompts, zweitens sind die Ideen der Maschine roh (noch) nicht nutzbar, es braucht mehr als den „letzten Schliff“. Und bei reinen KI-Produkten greift kein Urheberrecht, zumindest aktuell nicht. Das heißt, der reine KI-Entwurf lässt sich nicht schützen, erst wenn menschliches Zutun erkennbar ist, gilt wieder das Urheberrecht.

Vorsicht sollte man unbedingt bei der Nutzung offener KIs walten lassen. Experten raten nachdrücklich davon ab, hier sensible Daten in den Ring zu werfen, da nicht sicher ist, wo diese Eingaben landen und wie sie ins Training einfließen. Nur wenn die KIs geschlossen sind oder mit einem nutzerspezifischen Datenraum und EU-Servern arbeiten, ist die Datensicherheit einigermaßen gewährleistet.

Doch wie steht es mit der Kreativität selbst? Zwar erscheinen die „Werke“ einer KI originär, aber sie nutzen lediglich vorhandene Muster. Zugegeben arbeiten wir Menschen meist genauso, wir entwerfen nie von Null auf, sondern lassen uns inspirieren, beeinflussen, nehmen vorhandene Details auf und erweitern, modifizieren sie. Doch menschliche Kreativität ist auch in der Lage, ganz neue Dinge zu schaffen, man nennt dies „transformative Kreativität“, das ist sozusagen die Kür des Schaffens. Die KI ist derzeit dazu nicht in der Lage, weil sie nur Vorhandenes kennt und rekombinieren kann. Mit dieser „explorativen Kreativität“ erweitert man die Grenzen des Vorhandenen auf der Basis existierender Regeln. Rund 97 Prozent der menschlichen Kreativität, so der Forscher Marcus du Satoy in seinem Buch „Der Creativity Code“ folgen diesem Schema, auch die KI arbeitet prinzipiell so. Die „kombinatorische Kreativität“ wiederum basiert auf der Fähigkeit, interdisziplinär zu denken und ganz unterschiedliche Bereiche zusammenzuführen – auch das könnte, so Sautoy, die KI leisten. Zurück zu den 97 Prozent: Bislang war jede Entwurfsvariante Arbeit – schließlich wollte sie erdacht, gezeichnet, gerendert, bewertet und präsentiert werden. Varianten sind künftig das Spielfeld der KI, sie produziert in atemberaubendem Tempo. Das ist einerseits verlockend, auf der anderen Seite auch alarmierend: Werden wir künftig in Tsunamis unreflektierter, nutzloser Varianten ersticken? Werden wir von uninspirierten Streamline-Designs überflutet? Vermutlich, denn dank KI wird jede:r zum Gestaltenden. Auf der anderen Seite ist die Prosumer-Idee bislang ja auch nicht aufgegangen, was schade ist, aber im Hyper-Konsumismus einfach keinen Platz hat. So ähnlich könnte es mit der Design-KI gehen.

Eines aber noch: Wenn es gelingt, den KIs eine Art Störmoment einzuprogrammieren, also aus dem erlernten Regelwerk auszubrechen, dann könnte daraus eine neue Form der Kreativität entstehen. Doch selbst dann werden die KIs nicht völlig lösgelöst arbeiten: Denn eine KI ist keine Kreativitätsmaschine, sondern ein statistisches Modell, das vor sich hin wurstelt, ohne zu wissen, warum.

Also: KI wird bleiben (wie das Internet…), auch wenn der Hype sich abschwächt, das Berufsbild des Gestaltenden wird sich verändern (aber das tut es sowieso) und KI kann letztlich dazu beitragen, uns kreativer zu machen.

Armin Scharf ist Design- und Technikjournalist, arbeitet u.a. für Hochparterre, brandeins, md und das Design Center Baden-Württemberg. Zusammen mit Martin Krautter publiziert er den Innovationsreader prompd.news. Ihn beschäftigt nicht nur, wie sich die KI im Designprozess einfügt, sondern auch im eigenen Arbeitsprozess als Texter ihren Platz haben kann.

Impressionen

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    Armin Scharf, Design- und Technikjournalist

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